Stagflation – wenn Inflation auf wirtschaftlichen Stillstand trifft
24.06.25
9 min
Plötzlich steigen die Preise, doch die Wirtschaft kommt kaum vom Fleck. Der Begriff „Stagflation“ klingt sperrig, ist aber längst in unserem Alltag angekommen: Die Kaufkraft schwindet, der Arbeitsmarkt wird unsicherer, die Märkte reagieren nervös. Wir erklären, was hinter dem Begriff steckt – und wie du dein Geld klug schützt.

Preise rauf, Wirtschaft runter: Stagflation einfach erklärt
Der Begriff „Stagflation“ ist ein sogenanntes Kofferwort, das aus zwei Begriffen zusammengesetzt ist: Stagnation (Stillstand der Wirtschaft) und Inflation (steigende Preise). Normalerweise erwarten wir, dass eine wachsende Wirtschaft zu einem gewissen Grad Inflation mit sich bringt. Dieser Zusammenhang wird unter anderem im Konzept der nachfrageinduzierten Inflation beschrieben. Die Europäische Zentralbank und andere Notenbanken streben deshalb meist eine moderate Inflation um die zwei Prozent als Zeichen einer gesunden wirtschaftlichen Aktivität an. Doch bei der Stagflation ist es anders: Die Preise steigen, obwohl die Wirtschaft nicht wächst – oder sogar schrumpft.

Ein Blick ins echte Leben: Dein Gehalt ist seit dem vergangenen Jahr gleich geblieben. Doch die Miete wurde erhöht, dein Wocheneinkauf kostet plötzlich 20 Euro mehr, und dein Stromanbieter hat die Abschlagszahlungen angehoben. Gleichzeitig hörst du in den Nachrichten, dass die Wirtschaft kaum wächst und Unternehmen Stellen abbauen. Genau dieses Spannungsfeld beschreibt die Stagflation.
Volkswirtschaftlich betrachtet ist das eine heikle Lage – besonders aus Sicht des Keynesianismus. Dieses Modell, das auf den Ideen des britischen Ökonomen John Maynard Keynes basiert, setzt auf staatliche Ausgaben, um eine schwache Wirtschaft anzukurbeln. Die Grenze: Wenn gleichzeitig die Inflation steigt, können zusätzliche Geldspritzen die Teuerung weiter befeuern, ohne das Wachstum anzukurbeln. Genau das macht Stagflation so tückisch.
Stagflation – wie sie entsteht und woran man sie erkennt
Eine Stagflation entsteht häufig durch sogenannte Angebotsschocks aufgrund äußerer Ereignisse, die Produktionskosten massiv steigen lassen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum bremsen. Typisch ist etwa eine plötzliche Verteuerung von Rohstoffen wie Öl oder Gas. Unternehmen, die auf diese Ressourcen angewiesen sind – also fast alle –, müssen deutlich mehr zahlen. Diese Kosten landen am Ende bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Die Folge: Preise steigen, die Kaufkraft sinkt, die Nachfrage bricht ein, Unternehmen produzieren weniger. Ein wirtschaftlicher Teufelskreis.
Historische Beispiele für Stagflation waren die Ölkrisen 1973 und 1979. Als politische Reaktion auf internationale Konflikte drosselte die OPEC damals ihre Fördermengen drastisch. Der Ölpreis vervielfachte sich in kurzer Zeit, es kam zu Rationierungen, Lieferengpässen, Unsicherheit. Unternehmen konnten die enormen Produktionskosten nicht mehr auffangen, viele Verbraucherinnen und Verbraucher konnten sich das Heizen kaum noch leisten. Die Preise stiegen weiter, die Wirtschaft fiel in eine Rezession, die Arbeitslosigkeit kletterte nach oben. Diese Phase zog sich fast über ein Jahrzehnt und stellte Regierungen weltweit vor neue Herausforderungen.
Übrigens wird aktuell intensiv darüber diskutiert, ob sich Deutschland bereits in einer Stagflation befindet oder ob sie sogar auf gesamteuropäischer Ebene droht. Die Kombination aus schwächelndem Wirtschaftswachstum, hoher Inflation und steigender Verunsicherung am Arbeitsmarkt deutet zumindest in Teilen auf solch ein Szenario hin.

Warum Stagflation uns alle trifft und so schwer zu stoppen ist
Aus ökonomischer Sicht ist Stagflation ein Szenario, in dem klassische wirtschaftspolitische Instrumente an ihre Grenzen stoßen: Senkt beispielsweise die Zentralbank die Zinsen, um das Wachstum zu beleben, kann das die ohnehin schon hohe Inflation weiter befeuern. Erhöht sie die Zinsen, um die Inflation zu dämpfen, trifft das eine geschwächte Wirtschaft – Kredite werden teurer, Investitionen bleiben aus, Unternehmen geraten unter Druck.
Die Folgen spüren nicht nur Märkte, sondern vor allem die Menschen:
Reallöhne sinken, weil Lohnerhöhungen die Preissteigerungen nicht ausgleichen. Das monatliche Einkommen reicht gefühlt für immer weniger.
Investitionen stocken, weil Unternehmen bei Unsicherheit und hohen Kapitalkosten lieber abwarten. Das hemmt Innovation, Beschäftigung und Wachstum.
Staatshaushalte geraten unter Druck: Sozialausgaben steigen (unter anderem für Arbeitslosengeld oder Energiehilfen), gleichzeitig schrumpfen die Steuereinnahmen durch eine schwache Konjunktur.
Besonders herausfordernd ist diese Lage für Länder mit einer ohnehin hohen Staatsverschuldung. Hier kann Stagflation schnell zu einer Vertrauenskrise an den Märkten führen.
Strategien gegen Stagflation: Ansätze aus Politik und Wirtschaft
Was also tun, wenn Stagflation droht oder bereits Realität ist? Der erste Schritt ist: Vorsorge. Je breiter eine Volkswirtschaft aufgestellt ist, desto weniger angreifbar ist sie. Wer nicht allein von fossilen Energien oder wenigen Schlüsselbranchen abhängt, kann externe Schocks besser abfedern. Das gilt besonders in Zeiten globaler Spannungen. Energieunabhängigkeit und strategische Lagerhaltung können plötzlich explodierende Preise auf dem Weltmarkt dämpfen. Ebenso wichtig: ein wacher Blick auf Frühindikatoren. Wer Inflationsrisiken, Lieferkettenprobleme oder geopolitische Entwicklungen früh erkennt, kann schneller gegensteuern.
Ist die Stagflation bereits da, ist auf mehreren Ebenen entschlossenes Handeln nötig. Strukturreformen stehen dabei ganz oben: weniger Bürokratie, schnellere Planungsverfahren, gezielte Investitionen in Zukunftsbereiche wie grüne Technologien oder digitale Infrastruktur. Gleichzeitig muss die Geldpolitik mit viel Feingefühl gesteuert werden: Zu stark gebremst, würgt sie das Wachstum ab, zu locker gelassen, treibt sie die Inflation weiter an.
Soziale Stabilität ist ebenfalls essenziell. Denn gerade Haushalte mit geringem Einkommen spüren die Auswirkungen von Stagflation besonders deutlich. Gezielte Unterstützungsmaßnahmen – etwa für Geringverdienende, Familien oder Rentnerinnen und Rentner – schaffen nicht nur Entlastung, sondern erhalten auch die Kaufkraft. Und genau das stabilisiert letztlich auch die Binnenwirtschaft.

Klug investieren: Werte erhalten statt verlieren
Du siehst: Stagflation ist kein rein volkswirtschaftliches Phänomen, sie wirkt bis ins private Portemonnaie. Eine zentrale Frage lautet also auch: Wie lässt sich Geld in einer solchen Phase schützen oder sogar sinnvoll einsetzen? Der Blick auf den Aktienmarkt zeigt ein gemischtes Bild. In Zeiten ohne Wachstum verlieren viele Unternehmen an Börsenwert, besonders jene, die stark von Konjunkturzyklen abhängen. Doch es gibt Ausnahmen: Unternehmen, deren Produkte auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nachgefragt werden, gelten als vergleichsweise stabil. Ein Beispiel: Während viele Technologiewerte in den 1970er Jahren Verluste einfuhren, hielten sich Unternehmen wie Procter & Gamble, die Produkte des täglichen Bedarfs herstellen, erstaunlich gut.
Neben Aktien rücken sogenannte Sachwerte in den Fokus, also Dinge, die greifbar sind und ihren Wert unabhängig von Börsenschwankungen behalten. Gold zählt hier als Inflationsschutz und „sicherer Hafen“ in Krisenzeiten seit jeher zu den Klassikern. Auch Immobilien – vor allem in gefragten Lagen – bleiben meistens wertstabil und bieten zusätzlich laufende Einnahmen durch Miete. Und wer in Rohstoffe wie Industriemetalle oder Energiequellen investiert, kann einen realen Wertzuwachs oder einen Schutz vor Kaufkraftverlust erzielen.
Wie schützt du dein Geld ganz konkret?
Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist es entscheidend, klug vorzusorgen und die eigene Anlagestrategie zu überdenken. Drei Bausteine helfen dir dabei, dein Vermögen robuster aufzustellen, ohne in hektische Reaktionen zu verfallen.
Notgroschen aufbauen
Ein finanzielles Polster ist kein Luxus, sondern ein notwendiger Puffer für schwierige Zeiten. Ob unerwartete Reparatur, Jobverlust oder Krankheitsfall: Eine Liquiditätsreserve sichert die Handlungsfähigkeit im Ernstfall. Ideal dafür ist das 3-Konten-Modell, bei dem du einen Teil des Einkommens gezielt auf einem Tagesgeldkonto für genau solche Situationen zurücklegst. So bist du kurzfristig flexibel, ganz ohne auf Anlagen mit Wertschwankung zurückgreifen zu müssen.
Langfristig und breit gestreut investieren
In unsicheren Zeiten neigen viele zu impulsiven Entscheidungen. Doch gerade jetzt gilt: Ruhe bewahren und langfristig denken! Wer in ETFs mit globaler Streuung investiert, verteilt Risiken automatisch auf viele Länder und Branchen. Fondssparpläne helfen, regelmäßig und automatisiert Vermögen aufzubauen, unabhängig vom Timing. Und ganz wichtig: Panikverkäufe sind selten eine gute Idee – wer investiert, nutzt oft langfristig sogar die Erholung der Märkte.Auf Diversifikation setzen
Nicht alles auf eine Karte setzen: Dieser Grundsatz gilt besonders in der Stagflation. Wer sein Kapital auf verschiedene Anlageklassen verteilt, reduziert die Abhängigkeit von einzelnen Marktentwicklungen. Während etwa Aktien schwanken, können Immobilien laufende Mieteinnahmen bringen, und Gold kann in Inflationsphasen die Anlage stabilisieren. Eine breite Streuung schützt vor Einbrüchen und bringt langfristig mehr Stabilität ins Depot.